Eutonie-Übungsanleitung

Setze dich bequem, aber aufrecht hin, wenn es geht, ohne anzulehnen.

Die Haltung der Wirbelsäule ist deutlicher, wenn sie sich selbst ausbalancieren muss. Aber das Wichtigste ist, dass die Haltung so angenehm ist, dass du sie länger einhalten kannst, ohne dich zu oft bewegen zu müssen.

 

Dann schließe die Augen.

Erinnere jedes Mal, dass du von diesem Zeitpunkt an nichts mehr zu tun hast, dass der Ablauf ganz von allein natürlich geschehen wird. Es ist, als ob du vor einem Spiegel sitzen würdest, der deinen ganzen Körper zeigt und du nur das ruhig betrachtest, was vorhanden ist. Du musst gar nichts leisten oder verändern.

 

Spüre zuerst im Überblick, wo du leicht nachgeben kannst. Schultern, Bauch, Beine.

Gib nach. Dabei wird sich bald eine Grundruhe zeigen.

 

Beginne dir bewusst zu machen, dass du vom Boden getragen wirst. Gleich wie der Körper sich anfühlt, ob verspannt oder natürlich: der Boden trägt ihn treu und zuverlässig. Spannungen sind wie ein sich nicht anvertrauen, sich selbst halten wollen und insofern eine Kraftvergeudung, da der Boden auch sie mitträgt. Wir können sagen, dass der Boden im Moment Gott selbst vertritt. Da gilt das gleiche Verhältnis - im Loslassen ist das sich überlassen ....

Und dennoch wird viel Spannung im Alltag übersehen. Erst jetzt kann sie sich zeigen und darin können wir einen Spielraum erkennen und nachgeben, soweit es geht. Spannungen, die wir nicht gleich ganz loslassen kann, werden ohne Widerstand registriert.

 

Damit wir ihnen später sanft begegnen können, müssen wir erst eine gesunde Grundlage in der Körperwahrnehmung entwickeln. Sobald das Empfinden der Fußsohlen und ihr Kontakt mit dem Boden deutlich wahrgenommen ist, beziehe auch die Sitzfläche mit ein. Deutlich spüren, wie sich das Gewicht verteilt. Was kannst du wahrnehmen? Wärme, Druck? Die Tragkraft der Unterlage?

 

Dabei ist die bloße Wahrnehmung des Atems eine wesentliche Verstärkung. Besonders während des Ausatmens achte auf Sitzfläche und die Fußsohlen. Es kann sich anfühlen, als ob du schwerer würdest, oder als wenn du in einem ruhigen Boot sitzen würdest, dass sich leise bewegt.....

Lasse den Atem sanft werden, indem du besonders beim Ausatmen ganz weich in der Bauchwand nachgibst, weder bremst noch mit Nachdruck ausatmest.

So weich, als wenn eine Feder zu Boden schwebt....

 

Im Prinzip ist die Übung hier schon in sich rund. An manchen Tagen ist das bereits genug. Lieber sich auf einige wesentliche Wahrnehmungen beschränken, als viele oberflächlich zu durchgehen. Da Ruhe ganzheitlich ist, kann sich die Übung organisch entwickeln. Jeder Schritt wird die vorhergehenden unterstützen.

 

Wenn du still wirst und sich die Übung weiter entwickeln kann, achte auf die Hände im Schoß. Du kannst sie falten oder zusammenlegen, aber auch einzeln ist möglich ab und zu.

Spüre kurz jeden Finger für sich. Jeder Finger ist wie ein Familienmitglied, individuell und doch im Verbund der Hand. Gib nach, wenn du Spannungen bemerkst. Dann beleuchte innerlich den Verlauf des rechten Arms bis zur Schulter, dann über die Schulter zur linken Seite und den linken Arm wieder nach unten zurück zu den Händen. Einfach beobachten, wie sich die verschiedenen Bereiche anfühlen. Den Nacken und Rücken spüren und freigeben.

Manche Empfindungen sind recht unauffällig, andere deutlich.

Nur registrieren, wie der Spiegel einfach zeigt, was davor ist, ohne zu bewerten.

Spüre den Kreis der Arme als Ganzes.

 

Die Mitte dieses Kreises ist das Herz. Jeder Mensch zeigt spontan auf sein Herz, wenn er auf sich deutet. Dort ist also das seelische Zentrum. Im Tiefschlaf ist die Aufmerksamkeit dort und steigt erst mit dem Erwachen in den Kopf.

Spüre diesen Bereich in der Mitte der Brust. Was kannst du dort wahrnehmen? Ruhe? Wärme? Harmonie?

 

Dann der Kopf. Fühle die Außenwände von allen Seiten, vorn das Gesicht, besonders der Augenbereich ist oft verspannt. Lasse die Augäpfel ruhen.

Auch den Mundbereich, die Zunge, die Kiefer freigeben.

Die Seiten mit den Ohren, den Hinterkopf, den Scheitel wahrnehmen.

Den Innenraum spüren. Einfach spüren, was jeweils dort ist.

 

Nun komme zurück zu dem Gesamtempfinden des Körpers. Ein Organismus, ein Ganzes aus vielen Teilen ist jetzt sicher bewusster, als am Anfang.

 

Nun prüfe die unterschiedlichen Qualitäten und ihre Verteilung im ganzen Körper.

Wo ist das angenehmste Empfinden, das Zentrum der Harmonie?

Gleich wo es sich befindet, ob im Herzen oder in den Händen, im Bodenkontakt

oder im Atem, es ist gut, sich diesen Ort bewusst zu machen. Wenn möglich, bleibe dort für ein paar Atemzüge, sei dem Empfinden nah....

 

Dann prüfe, wo weitere, relativ harmonische Bereiche sind.

Dann, wo es neutrale Zonen gibt.

Dann spüre eventuelle Spannungsbereiche.

 

Wenn du sie ganz gleichmütig und sanft durchdringen kannst, lösen sie sich oft ganz oder zum Teil auf. Zumindest wirst du eine sachliche Distanz dazu erleben. Kannst du diese Zonen nicht ruhig beobachten, komme zurück zum Zentrum der Harmonie. Wechsle nach Gefühl zwischen beiden Qualitätszonen oder spüre sie miteinander.

Der Schlüssel dabei ist die Fähigkeit, sanft zu spüren, ohne in Widerstand zu geraten.

Immer wenn Unruhe dabei entsteht, lasse die Spannung und kehre zum Zentrum oder auch zu neutralen Bereichen zurück.

 

Die Übung sollte in einem ganz sanften Übergang zur äußeren Wahrnehmung beendet werden. Wenn du noch einmal die Ganzheit des Körpers gespürt hast,

erweitere das Feld der Aufmerksamkeit auf die Umgebung. Immer noch mit geschlossenen Augen beginne den Raum wahrzunehmen. Mache dir die Grundruhe des Raumes bewusst; sie war schon vor der Übung da, ist aber jetzt deutlicher wahrzunehmen.

Ruhe ist räumlich. Spüre die Weite. Spüre Allgegenwart, alles durchdringende Gegenwart.....

 

Wenn du vor der Übung in disharmonischer Stimmungslage warst, kann dieser Prozess große Heilkräfte entfalten. Denn Stimmungen werden dabei nicht gedanklich oder emotional erlebt, sondern in die Körperempfindungen ‚übersetzt’. Die verschiedenen Wertigkeiten im Körper werden nur neutral beobachtet. Angenehme Gefühle sind heilend, bergen Kraft in sich und sind vor der Übung meist gar nicht bewusst, besonders, wenn disharmonische Stimmungen vorherrschen. Allein diese Kraftpotenziale wahrzunehmen, ist deshalb sehr wertvoll und erstaunt Menschen oft, die vorher geglaubt haben, nur die ‚dunklen Wolken’ wahrnehmen zu können.

Aber darüber hinaus beginnt ein Ausgleich der verschiedenen Bereiche ganz von selbst, so als wenn Wasser sich selbst ausgleichen kann, weil es nicht länger gestört wird.

 

Suche dir einen Ort und einen Zeitpunkt im Tagesverlauf und lass dich täglich neu ein auf diese Entdeckungsreise zu dir selbst, zu dem Selbst, dass natürlich harmonisch ist ...

 

Wenn Fragen sind, melde dich bitte.

 

Alles Liebe .....