Jeder Mensch sehnt sich nach Erfüllung, nach Frieden, Harmonie und Liebe.
Wenn im Laufe des Lebens deutlich wird, dass bleibende Erfüllung nicht durch äußere Erfahrungen möglich ist, sind wir an einem wichtigen Scheideweg angekommen.
Viele Menschen versuchen, dieser Erkenntnis lange auszuweichen. Dazu gibt es unendlich viele Fluchtwege, ob es Arbeit oder Sucht, gleich welchen Inhalts, ist. Ideale oder Hoffnungen auf eine bessere Zukunft, das, was wir noch erreichen wollen. Immer stärkere Reize der Sportarten und der Freizeitwelt, Medienkonsum und vieles mehr.
Diese Kompensationsversuche haben alle eines gemeinsam: sie funktionieren nicht, sind ein Selbstbetrug. Frustration und Depression sind die Folge.
Sobald die Tatsache der Flüchtigkeit aller Erfahrungen nicht länger geleugnet wird, kann sich aber eine ganz neue Sichtweise eröffnen.
Die Lebensgeschichte des Buddha bringt diesen Erkenntnisvorgang sehr lebendig zum Ausdruck. Seinem Vater, einem Fürsten im heutigen Grenzgebiet zu Nepal, war prophezeit worden, dass es für seinen hochbegabten Sohn Siddhartha zwei Möglichkeiten geben würde. Entweder der Weg des Verzichts, um ein bedeutender Weisheitslehrer zu werden. Oder Siddhartha würde zu einem bedeutenden Herrscher, was natürlich ganz im Sinne des Vaters war. Um dies zu gewährleisten und den ersten Weg zu verhindern, baute der Fürst ein Lustschloss, ein künstliches Paradies, wo sein Sohn von allem Leidvollen fern gehalten wurde. Als Siddhartha jedoch alt genug war, um diesen Betrug zu durchschauen, stellte sich heraus, dass der Vater das Gegenteil erreicht hatte:
in der Begegnung mit Alter, Krankheit und Tod war der Prinz durch den Kontrast zu seinem gewohnten künstlichen Paradies so schockiert, dass er nachts davonlief um Das zu finden, was nicht altert, krank werden kann und stirbt. So suchte er den Gegenpol zur Sinnenfreude in der Askese. Schnell war er Meisterschüler von bedeutenden Meditationsmeistern und übertraf diese noch, bis er an die Grenze seiner Kräfte kam. Als er vor Schwäche ohnmächtig wurde, war ihm klar, dass sein Ziel, das Unvergängliche, Leidfreie zu finden, so nicht erreicht werden konnte.
Auch die tiefsten Meditationssitzungen waren noch vergänglich und nicht die Wahrheit seines Seins.
Als er darüber nachsann, fiel ihm eine Begebenheit aus seiner Kindheit ein. Es war während der Kirschblüte, als sein Vater eine wunderschöne Zeremonie feierte. Dabei versank der junge Siddhartha ganz unwillkürlich in einen seligen, meditativen Zustand.
Konnte dies wegweisend sein, das zu finden, was er zutiefst erahnte, etwas Zeitloses und Unvergängliches? Christus sagte darüber: ‚Habt da euren Schatz, wo ihn nicht die Motten und der Rost fressen und Diebe nicht graben können, um ihn zu stehlen.’
Siddhartha setzte sich unter den Bodhi-Baum und folgte innerlich dieser Intuition sechs Wochen lang ununterbrochen. Nachdem er - ähnlich wie Christus - den dunklen Kräften seines Geistes begegnet war, fand er zu seinem innersten Sein beim Anblick des Morgen-sterns. Er war zum Buddha geworden, erwacht zur Unvergänglichkeit des Seins, die tiefer liegt, als die Freuden der Sinne, ja tiefer als die Versenkungszustände der Formlosigkeit. Den Rest seines Lebens verbrachte Buddha als Wandermönch und Weisheitslehrer. Die Ausstrahlung seiner Reinheit und Würde war derart, dass er sogar seine Familie und seinen Vater überzeugen konnte. Er lebte und lehrte den ‚Mittleren Weg’, der menschliche Erfahrungen weder ablehnt noch von ihnen abhängt.
Unabhängig davon, wie historisch richtig diese Schilderung ist – sie hat etwas mit unserer Lebenserfahrung zu tun. Auch wir können zu der zeitlosen Freiheit unseres Seins finden, wenn wir die gleiche Wahrhaftigkeit entwickeln und unsere eigene Erfahrung genauer prüfen. Wenn wir der Flüchtigkeit, der Vergänglichkeit nicht länger ausweichen und die Sehnsucht nach Erfüllung nicht länger versuchen, zu kompensieren.
Die Philosophia perennis , die ewige Weisheit aller spirituellen Traditionen dieser Welt deutet auf die Unvergänglichkeit unseres Wesenkerns hin. Die verschiedenen Traditionen haben unterschiedliche Ausdrucksformen dafür entwickelt. Doch im Praktischen läuft es immer auf eine Transformation unseres Bewusstseins hinaus, auf eine Schulung unserer Wahrnehmung durch Stille und Lauschen.
Die ‚Frohe Botschaft’ liegt nicht in äußeren Verkündigungen, sondern in der Erkenntnis, dass wir unsere göttliche Natur erfahren können, wenn wir die Stille zulassen, die unseren Geist ordnen kann. Nur so können wir unseren Standpunkt dort finden, wo wir nicht mehr der Vergänglichkeit unterworfen sind, sondern den Frieden und die Erfüllung des Ewigen leben. Nicht die äußere Askese befreite den Buddha, sondern der 'Weg der Mitte', der genau dort beginnt, wo wir stehen, mitten im täglichen Leben.