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EIN GESPRÄCH ÜBER DIE 'WASSERSCHEIDE' DER PERSÖNLICHEN BESCHRÄNKUNG

 

Freund: Ganz konkret geht es mir um die Aussage, dass alles Gewahrsein ist, dass alles eins ist. Ich kann etwas anfangen mit der Aussage "du bist das Gewahrsein, in dem alle Objekte erscheinen", aber ich erfahre die meisten Objekte als klar getrennt von mir. Bei zumindest einem Objekt, nämlich einem starken Gefühl in der Mitte der Brust, welches sich sofort einstellt, wenn ich "ICH" sage oder denke, ist diese Trennung nicht so klar. Es fühlt sich einerseits wie "ich" an, andererseits ist es offensichtlich, dass es auch nur ein Objekt ist, das im Gewahrsein erscheint. Aber die Erfahrung, dass alles eins ist, kenne ich bisher nur vom Lesen oder Hören.

 

 

Reinhard: Hallo, interessant, danke für deine Aussage. Was du beschreibst, ist eben vom mentalen Standpunkt aus erlebt und obwohl es viele Hinweise aus tieferen Einblicken geben kann, ist der Zustand, den Ramana und wenige andere realisiert haben doch ein ganz eigener und nicht durch den dualen, beschränkten Geist  nachvollziehbar. Denn egal, ob Albert Einstein oder wir, jede Person bleibt fragmentarisch.

 

Was möglich ist: eine Übung die Gewahrsein und das Gedankliche umfasst, kann in der Praxis ausreifen, dh. im Idealfall diese 'Wasserscheide' der personalen Beschränkung überwinden. Dazu ist aber für die meisten eine intensive Sammlung voraus gegangen, wenn wir die Berichte der Erleuchteten anschauen. Diese Sammlung ist in irgendeiner Form unabdingbar, glaube ich.        Du hast mir ja mal von deiner tieferen Erfahrung berichtet. Ich hatte auch einige beeindruckende Einblicke- was aber bleibend zählt, ist das Vertrauen, was daraus erwächst und was zu dieser intensiven Sammlung führen kann. Bei sogenannten Nahtoderfahrungen kommt die Sammlung und Reinheit durch den Schock zustande, der zu vollkommenem Loslassen führen kann.

 

Wenn du mich also fragst: ich würde versuchen, diese Reinheit und One-pointedness kultivieren, die uns für eine direkte Erfahrung erst verfügbar macht. 

 

Solange wir nämlich mental vorgehen, sind wir im falschen Bezugsystem, das meinte ich mit der Wasserscheide. Denn das Ego checkt STÄNDIG ab, weil es immer Angst hat, die Kontrolle zu verlieren. Gier und Hass sind die beiden Hörner der Dualität, der Teufels (das Wort kommt sogar von Zweifall, auch Zweifel).

 

Solange wir uns an Begriffen orientieren, gehen wir am Geländer anderer. Mein Fokus war und ist immer die 'Werkstatt' des eigenen Geistes. Da ist 'rotten stump' ebenso hinweisend, wie das Gewahrsein zu sein (watching awareness ist eigentlich unglücklich, ich habe deshalb viel der Texte editiert. ML's Ansatz ist sehr gut und reif, seine Didaktik nicht immer.

 

Nimmst du dir Zeit, zu sitzen? Nach meinem Empfinden das Mikroskop der Praxis! ML saß 8-12 Std täglich. Die Dauer allein ist es nicht und die Übung aufs Sitzen zu beschränken, halte ich für falsch. Aber die subtilste und genaueste Unterscheidung kommt von selbst, wenn wir still werden.

 

Freund:  Ich versuche, mir mehrmals täglich Pausen zu nehmen, mich hinzusetzen und nach innen zu gehen, und wenn das nicht möglich ist, versuche ich, es während der Aktivität zu tun, wenn meine Aufmerksamkeit gerade nicht zu sehr gefordert ist. 

 

Das "nach innen gehen" sieht bei mir so aus, dass ich meine Aufmerksamkeit auf das Gefühl "ICH" richte und versuche dabei still zu sein. Wenn nun Objekte, wie Gedanken und Gefühle auftauchen, dann nehme ich diese deutlich als etwas wahr, was sich außerhalb von mir befindet. Die Tatsache, dass ich sie wahrnehme, beweist, dass ich da bin, um sie wahrzunehmen. Alles Wahrnehmbare ist dann gewissermaßen wie ein Spiegel, der die Aufmerksamkeit zurückwirft.

 

Reinhard:   Ja, das klingt gut als Basis. Tatsächlich können wir nur Objekte wahrnehmen und auch das Subjekt besteht, so weit wahrnehmbar, nur aus objektiven Bestandteilen. Das reine Ich ist nicht objektivierbar, in sofern ist Neti, Neti das Hergeben der erkannten Objekte, auch gerade des Subjekts. Um die 'Wasserscheide' zu überschreiten, muss es aber zu einem völligen Loslassen kommen. Samadhi ist nicht-dual. Dazu ist die intensive Sammlung, die ich anfangs ins Gespräch brachte, die beste Option- obwohl wir dies nicht machen können. Erst 'dort' können wir die überpersönliche Dimension des Gewahrseins 'sein' - dein ursprünglicher Punkt.

 

Wenn du keine Einwände hast, würde ich anonym ein paar Elemente dieses Gesprächs in einem Artikel zusammenfassen.

 

Die Wasserscheide ist die Schwelle, weil im Bereich der persönlichen Erfahrung immer eine Subjekt/Objekt Beziehung die Basis ist, welche automatisch auf dem Körperbewusstsein fußt. Diese mentale Basis verhindert die Wahrnehmung des Selbst, der ungebrochenen GANZHEIT: Dazu gab es ein besonderes Gespräch eine jungen Wissenschaftlers mit Bhagavan, ich schaue mal, ob ich es finde.

 

Freund:   "auch das Subjekt besteht, so weit wahrnehmbar, nur aus objektiven Bestandteilen" - das ist ein interessanter Hinweis. Welche objektiven Bestandteile meinst du, aus dem das Subjekt besteht?

 

Momentan "hänge" ich daran fest, dass sich dieses Ich-Gefühl in der Brust sowohl wie ein Objekt, aber auch irgendwie wie ein Subjekt anfühlt. Ich spüre, dass es da Unklarheit oder Verwirrung gibt, fast wie ein Knoten, was mich an die Bezeichnungen "Hrdaya-Granthi" oder "Chit-Jada-Granthi" erinnert. In der Meditation versuche ich oft, dieses Gefühl in den Fokus zu nehmen, um es irgendwie klarer zu machen. Interessanterweise habe ich in der Literatur von und über Bhagavan bisher nicht viel über dieses Thema gefunden. 

 

Das Bild der Wasserscheide gefällt mir übrigens.

 

Vielen Dank auch für den Text, ich denke, der war hilfreich. Ich verstehe ihn so, dass sich die Wahrnehmung der Ganzheit dann einstellt, wenn sich das Ego, also die Identifikation des Selbst mit dem Körper, auflöst. Dann hat es nicht viel Sinn, zu versuchen, die Ganzheit zu verstehen, solange das Ego noch da ist.

 

Du kannst natürlich gerne anonym aus unserer Unterhaltung zitieren und posten. Ich freue mich, wenn es jemandem hilft.

 

Reinhard: Was mir an unseren Gesprächen gefällt, auch früher schon, ist deine gründliche und methodische Art.

 

Ja, jetzt kommt der Kern hervor! Die Antworten liegen in deinen Fragen und das ist ein Beispiel dafür, wie sich das Ego fast wie ein gerissener Dieb zu verstecken weiß, auch wenn wir intellektuell Bescheid wissen!

 

Du hast ganz recht, wenn du dich dem Punkt bewusster zuwendest, wo du merkst, dass du hängst! Genau da verstecken sich die objektiven Anteile des Ich.

 

Frage dich: wo bin ich, in dem Seher, der das Gefühl in der Brust erlebt, oder in der Brust?

 

Obwohl du diese Empfindung als eine Art Gemisch aus Subjekt und Objekt erfährst, musst du hier super genau werden! Genauigkeit kommt in der inneren Erforschung durch immer feiner werdende Balance zwischen Stille und Interesse, vergleichbar mit dem Erarbeiten eines Musikstückes, wo wir sicher die Struktur verstehen, aber die Umsetzung bis in die Geläufigkeit der Finger reifen muss.

 

In der Beziehung zu dem  Brustgefühl verstecken sich:

a) das reine Ich und

b) das fixiert sein auf einen Körperbereich.

 

Es stimmt nicht, es gibt viele Textstellen, wo Bhagavan davon abrät, sich auf das Herz in der Brust zu konzentrieren, zumindest über eine bloße Konzentrationsübung hinaus, wenn der Sucher meint, dass sich dort das Selbst auf der rechten Seite befinden würde. Eine der klarsten und ausführlichsten Stellen ist im Living by the Words, ich kann sie heraussuchen.

 

Freund:  Ich kenne durchaus einige Stellen, in denen Bhagavan über ein Herz-Zentrum auf der rechten Seite der Brust spricht. Ich hatte aber immer das Gefühl, dass das etwas anderes ist, als das, was ich hier spüre. Der wichtigste Unterschied ist, dass ich es genau in der Mitte der Brust wahrnehme, nicht rechts. Eine Gemeinsamkeit ist wiederum, dass es die Stelle ist, auf die ich zeige, wenn ich "ich" sage, bzw. die stelle, wo ich "ich" intuitiv spüre.

 

Ich hatte auch immer das Gefühl, wenn Bhagavan davon abrät, sich auf dieses Zentrum zu konzentrieren, dass an dieser Stelle ohne besondere Konzentrationsübung normalerweise nicht viel zu spüren ist. Das ist bei mir ganz anders: Ich spüre dieses Zentrum ständig, mehr oder weniger intensiv. Es fühlt sich an wie ein Brennen, und es ist kaum möglich, die Aufmerksamkeit davon abzuwenden. Mir ist klar, dass es als Wahrnehmung ein Objekt ist, das ich als Nicht-Selbst zurückweisen kann, aber sobald ich das tue und dann erneut "ich" sage, lande ich wieder in der Mitte der Brust. Da beißt sich sozusagen die Katze in den Schwanz. 

 

Oder ist das vielleicht eine Art Gabelung? Es fühlt sich so an, als würde "awareness watching awareness" oder "neti neti" näher zum Ursprung führen als das Fühlen von "ich".

 

 

Reinhard:   "Der wichtigste Unterschied ist, dass ich es genau in der Mitte der Brust wahrnehme, nicht rechts."- das klingt eher wie das Herzchakra, nicht wie das Zentrum, wo das Selbst den physischen Körper berührt.

 

Ja, das verstehe ich. Da hilft nur größere Genauigkeit, in dem du immer wieder den Unterschied zwischen einer sensorischen Wahrnehmung und DIR machst.

 

WER 'spürt das Zentrum ständig'?

Wer ist der Beobachter, der die Aufmerksamkeit kaum abwenden kann?

 

Das kannst du sogar im Hinschauen auf das Zentrum untersuchen, denn es gibt die 2 Pole von Subjekt und Objekt, wie auch sonst. Die Macht des Egos liegt darin, sich bedeckt zu halten, ich nenne es manchmal Alberich. Das war der Hüter des Nibelungenschatzes, der Siegfried mit der Tarnkappe angriff. Sehr gutes Bild für das 'alberne Ich', das verdeckt reagiert.

 

Selbst das 'Nichtselbst zurück zu weisen', ist ein willentlicher Vorgang und geht vom Verstand aus, der sich so in der Ich-Position hält! Das 'Erste Gebot' ist Gott, das Selbst, über alles zu stellen und zu lieben. 'Unschuldig wie ein Kind' zu sein, 'nicht zu checken und wie ein Baumstumpf zu werden' bezieht ganz besonders auf die versteckte Aktivität, die die Übung noch steuern will. Summa Iru heißt: SEI absolut, ohne noch etwas zu manipulieren, auch gerade, wenn der Impuls, etwas verändern zu wollen, stark kommt, weil die Erfahrung vielleicht nicht angenehm ist.

 

Was wir SIND, ist 'ungebildet', also nicht bildhaft, nicht objektiv wahrnehmbar. JEDE Wahrnehmung ist objektiv und braucht ein mentales Subjekt. 'Das Fühlen vom Ich' bleibt dort in dem System stecken. Das war die richtige und richtungsweisende Entdeckung von Michael Langford- es ist die primäre Bewusstheit, das Gewahrsein, was hilft, aus der Dualität in die GANZHEIT zu kommen.

 

 

 

 

 

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