Ein Freund schrieb mir und fragte mich nach meiner Meinung zu einer Veränderung seiner inneren Wertigkeiten, durch verschiedene äußere Erfahrungen in seinem Leben Erfüllung zu finden.
Er schrieb:
"Das ist der Kernpunkt der Sache: Ich stelle mehr und mehr fest, dass ich eigentlich gar nichts besonderes will. Die Dinge, die mich früher motiviert haben, etwas zu tun, wie der Wunsch, als
großer Musiker anerkannt zu werden, der Wunsch, sozial und romantisch erfolgreich zu sein, der Wunsch, bestimmte Erfahrungen zu machen, motivieren mich nicht mehr. Es ist nicht so, dass es mir
keinen Spaß mehr macht, Musik zu machen oder Kontakte zu knüpfen. Wenn ich diese Dinge tue, habe ich immer noch genauso viel Spaß daran, wie früher. Aber ich habe keinen Antrieb mehr, der mit
diesen Dingen zusammenhängt. Wenn ich zufällig mein Instrument spiele und es gut läuft, genieße ich das, aber wenn nicht, fühle ich mich auch nicht weniger glücklich. Dasselbe gilt im Moment für
so ziemlich alles in meinem Leben. Es scheint mir immer gleichgültiger zu werden, was um mich herum in der Welt passiert.
"Die inneren Antriebe, die mich vor nicht allzu langer Zeit noch so stark zum Handeln drängten, scheinen verblasst zu sein. Ich mag es immer noch lieber, mit Menschen zurechtzukommen, aber selbst
wenn ich nicht ausgehe und keine äußeren Kontakte knüpfe, fühle ich mich genauso zufrieden.
"Wenn mich jetzt jemand fragen würde: 'Was sind deine Ziele im Leben? Was willst du erreichen?', würde es mir schwer fallen, überhaupt weltliche Ziele zu nennen.
"Ich glaube absolut an den Wert des geistigen Fortschritts, so wie schon früher. Zweifelsohne gibt es nichts Wichtigeres, als den Lehren Bhagavans zu folgen. Aber wenn es um das Leben in der Welt
geht, scheine ich zunehmend apathisch geworden zu sein. Es kümmert mich nicht wirklich, was passiert. Es ist mir egal, ob die Leute mich mögen oder ob sie mich gar nicht bemerken. Es ist mir
egal, ob ich Geld habe oder von wenig leben muss. Es ist mir egal, ob ich aufregende Erfahrungen mache oder nur zu Hause bleibe und mein Buch lese.
"Es ist ein seltsames Gefühl, nichts zu wollen. Die meiste Zeit meines Lebens hatte ich Dinge, die ich mir vorher sehr gewünscht hatte. Heute kümmert es mich nicht mehr wirklich, was
passiert.
"Ich habe immer noch Freude an Dingen - das ist nicht die Anhedonie, die mit der Depression kommt, das weiß ich genau. Wenn ich ausgehe und Geschichten erzähle und mich mit Leuten unterhalte, die
lachen und wir alle eine gute Zeit haben, dann genieße ich das. Es macht mir immer noch Spaß, ein leckeres Essen zu kochen und es meinen Freunden zu servieren. Meine Fähigkeit, Freude an
alltäglichen Ereignissen zu empfinden, scheint nicht abgenommen zu haben. Was aber abgenommen hat, ist mein Antrieb, der innere Wille, der einen zu bestimmten Zielen drängt. Ich erlebe mich
zunehmend selbstzufrieden, zunehmend gleichgültig. Ich genieße schöne Dinge, wenn sie da sind, aber ich fühle mich nicht wirklich schlechter, wenn sie fehlen. Die ganze innere Struktur der
Motivation scheint zusammengebrochen zu sein."
Ich erwiderte:
"Du hast in der Vergangenheit bewiesen, dass du eine starke Willenskraft hast und hast dieses Vermögen zeitweise sehr ausdrucksstark gelebt mit Musikpraxis und Mädchen und anderen Themen.
"Es fühlt sich also komisch an, wenn dieser DRIVE nicht mehr so stark zu spüren ist, wie früher. Aber wie du sagst, ist das etwas anderes als ein depressiver Zustand, den du in früheren Jahren
erlebt hast.
"Bei Deinen Durchbrüchen hast du in unterschiedlichem Maße echten Frieden berührt, und solche Erfahrungen wirken ständig 'unterschwellig weiter, unter der durchschnittlichen Mentalität des
Menschen. Kein Vergleich kann den Unterschied beschreiben zwischen dem Frieden und der Erfüllung des Selbst und schönen, aber gewöhnlichen Erfahrungen. Nichts, wirklich nichts, kommt dem auch nur
nahe! Alle weltlichen Erfüllungen sind unecht und grau neben der wahren Natur des reinen Seins. Nur weil die meisten Menschen sich dieser Tatsache nicht bewusst sind, kompensieren sie die
Erfüllung des Herzens mit geringeren Freuden.
"Die Tatsache, dass du dich nicht in depressiver Abwehr befindest, sondern dich noch an relativen Erfahrungen erfreuen kann, ist in diesem Zusammenhang entscheidend. Deshalb hat Bhagavan manchmal
das Beispiel des Spielens in der Welt benutzt. Der Körper-Geist wird seinen normalen Lebenslauf nehmen, aber wir WISSEN, dass dies nur eine Rolle ist, die wir durch prarabdha karma spielen
müssen.
"Deshalb habe ich schon vorher betont, dass wir viel gewinnen können, wenn wir lernen, unser Sadhana zu verfeinern. Nicht nur diese kraftvolle, aber auch aggressive Art und Weise, wie du es
erlebt und damit zeitlichen Erfolg hattest, sondern einen sanfteren und flexibleren Weg.
"Ich sehe diesen Prozess der Entwicklung von Gleichmut als Teil dieser Verfeinerung. Ähnlich wie man Musik übt und mit einem bestimmten Stück leicht und natürlich wird, kann man Sadhana auch
damit vergleichen, die musikalische Fähigkeit und Leichtigkeit im Inneren zu erwerben.
"Der Gleichmut ist also das Symptom einer natürlichen Vairagya-Entfaltung und dein Streben ist die grobe Form, die sanftere Ausdrucksmöglichkeiten finden kann. Wie du schreibst: die Sehnsucht
nach spirituellem Engagement ist immer noch da. Es ist eine offene Tür - sei dir dieser Tatsache bewusst und akzeptiere die Veränderungen, die der Pfad in deinen Gefühlen hervorruft. Die
Läuterung des Suchenden ist das wichtigste Ergebnis von echtem Sadhana!
"Definitiv, alles ist GNADE! Ich stimme zu 100% zu."
In Liebe,
Reinhard
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